Die Sache mit den Plänen.

Und wo siehst du dich in fünf Jahren?

 

 

Mein erstes Bewerbungsgespräch in lockerer Atmosphäre. Deshalb das du.

 

 

Und wo siehst du dich in fünf Jahren?

 

 

Einer meiner Lieblingsfragen. Bisher. Ich liebte Zukunftsvisionen.

 

Nun: Ein leicht bedrückendes Gefühl in meiner Bauchgegend. Mein Blick geht nach unten. Ich überlege. Ich schaue auf und sage die Wahrheit. Mit einem erleichternden Lächeln.

 

 

"Ich plane nicht mehr."

 

Vielleicht nicht die exakte Antwort auf die Frage. Vielleicht zielt die Frage eher auf Träume und Vorstellungen und nicht auf Pläne. Und trotzdem. Ich plane nicht mehr. Und ich fühle mich gut damit. Erleichtert.

 

 

Manchmal bin ich erstaunt darüber, welchen Weg ich gegangen bin, um diese Aussage treffen zu können. Dazu muss man wissen, dass ich es liebe, meine Zukunft zu planen. Ich lebe von langfristig geplanten Lebensprojekten und wusste immer immer immer wo genau ich in den nächsten zwei Jahren sein werde. Immer. Von außen könne man meinen, ich sei der Inbegriff von leichter Desorientierung und Verpeiltheit. Klatschig. Ja bin ich – auch. Aber in der Tiefe meiner Seele liegt das Bedürfnis nach Struktur, Plänen, Ideen, Innovation und Versprechen an mich selbst. Für die ich viel tue, um sie einzuhalten. Ich weiß immer exakt zwei Jahre vorher, was ich tun werde. Akribisch. In Perfektion.

 

 

2 Jahre. Ein magischer Abstand für mich.

 

 

Ich wusste zwei Jahre vor dem Abi, wo ich studieren werde. Vor dem Master, wo ich diesen machen werde. Und zwei Jahre vor dem Abschluss – nach einer kleinen Suche – was ich nach dem Studium tun werde und wusste auch wo. Exakt. Sicherlich eine gewinnbringende Eigenschaft längerfristig zu wissen, was man will, die Möglichkeiten abzuwägen, zu träumen und letztendlich seine Wünsche in die Realität umzusetzen. Das hat funktioniert. Immer.

 

Ich mag diese Eigenschaft an mir. Ich lebe davon. Von erfüllten Plänen. Sicherheit.

 

 

Jetzt: Mein Plan reicht noch für ein Jahr. Und danach weiß ich nicht, wo ich sein werde und will es auch nicht planen, mir nichts ausdenken. Wahrscheinlich für die meisten total normal. Für mich ein neues Gefühl. Und ich fühle mich gut damit. Erleichtert.

 

 

Noch ein Jahr und dann enden meine Pläne.

 

 

Sicherheit, die ich selbst kalkulieren kann, entfällt.

 

 

Aber:

 

Man wächst nicht im Hause der Sicherheit.

 

 

Ich kann kaum beschreiben, wie sich das anfühlte, als die Sicherheit meiner Pläne zerbrach. Es fand innerhalb eines Prozesses statt. Seit Herbst 2016. Getragen durch Ohnmacht, Trauer, Ungewissheit, Freude, durch Fragen des Lebens, durch Aufregung und durch Begegnungen mit Menschen, die mir zwei Fragen wichtig werden ließen.

 

 

Lebst du das Leben, was du leben willst & soll das Leben das werden, was du leben wolltest?

 

 

Den ersten Teil kann ich definitiv mit einem klaren „Ja“ beantworten. Das zweite mit einem „Nein“. Ich werde nicht das Leben leben, was ich leben wollte. Was ich vor zwei Jahren noch leben wollte. Was ich als Teenager und Kind leben wollte. Ich lebe es schon jetzt nicht mehr so. Meine Pläne funktionieren nicht so, wie ich es wollte.

 

Und ich kann es nur noch einmal sagen, wie erleichtert ich darüber bin. Es gibt so viel mehr im Leben, als ich mir vorstellen kann. Als ich planen kann. Etwas, was meinen Horizont so unglaublich übersteigt und mein eigenes Denken vergrößert. An diesen Punkt zu kommen, war nicht immer leicht, aber spannend.

 

 

Und wenn ich jetzt doch mal der Panik unterliege, mir vorzustellen, was in zwei oder gar in fünf Jahren sein wird: Dann schaue ich nicht ins Ungewisse, sondern auf viel größere Möglichkeiten, als ich es mir vorstellen und planen kann. Im Ungewissen liegen Chancen, die ich mir durch meine begrenzte Vorstellung von Plänen nicht verkleinern will.

 

 

Deshalb ist es für mich an der Zeit zu sagen:

 

 

Ich plane nicht mehr.

 

Und das beruhigt mich.  

 

Natürlich ist planen an sich nichts schlechtes. In manchen Lebensepochen vielleicht nur nicht immer in einer extremen Form an der Zeit.

 

 

Wie ist es bei euch mit euren Zukunftsplänen. Bist du dort, wo du immer sein wolltest. Sind alle Pläne in Erfüllung gegangen. Macht es dir Angst, nicht genau zu wissen wo du sein wirst – in einem halben Jahr.  Bist du im Planen akribisch, oder schon immer entspannt. Solltest du vielleicht eher mehr planen. Klingt das, was ich geschrieben habe, greifbar für dich oder total merkwürdig? Fragen über Fragen.

 

 

PS: Das Bewerbungsgespräch verlief erfolgreich. Mein Gegenüber und ich lächelten uns an und wir wussten beide, dass das „meine richtige“ Antwort war.

 

 

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 Die Fotografie lehrt, dass wie gut du siehst, nichts damit zu tun hat, wie gut du siehst. Autor unbekannt

 

 

My portraits are more about me than they are about the people I photograph.

Richard Avedon

 

 

Das Auge macht das Bild, nicht die Kamera.

Gisele Freund

 

 

Ein Photo sagt nicht länger die Wahrheit. Es schlägt nur eine Möglichkeit vor.

photokina 2000

 

 

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